Mit diesem Selbstversuch hatte ich nun selbst nicht gerechnet. Weiß gar nicht, wie ich auf die Idee kam. Umso besser.

Vor drei Tagen kam ich beim Forsthaus Beckenhof bei Pirmasens auf dem Mobilstellplatz an. Plan war am darauffolgenden Tag mit dem Bike den Rodalben Felsenwanderweg zu biken. Dies sollte ein letzter Fitnesstest und gleichzeitig auch ein weiteres Ausdauertraining werden. Kommenden Sonntag geht’s nach Scuol zum DAV „Trainer B – MTB Coach“-Lehrgang und ich brauchte noch ein bisschen Gewissheit, dass ich das auch packe.

Selbstversuch Nummer 1

Nun kam ich nachmittags hier mitten im Pfälzer Wald an und juhu, die Sonne kam raus. Um Kräfte zu sparen, wollte ich nicht meine kleine Standardrunde hier oben auf dem Berg mit dem Bike drehen, sondern lieber zu Fuß unterwegs sein.

Spontan kam ich auf die Idee, für diesen kurzen Weg von ca. 1h mein Handy im Camper zu lassen.

Also:

  • KEIN Podcast
  • KEINE Musik
  • KEINE Fotos machen und somit keine Erinnerungen
  • KEINE Nachrichten empfangen und ablenken lassen
  • KEIN ständiges Auf-die-Karte-Schauen (Trailscouting)

Ui, ok. ‚Ne Stunde werde ich aushalten und vielleicht passiert ja was auf dem Weg. Irgendeine bahnbrechende Idee, irgendein wegweisender Gedanke, eine Selbsterkenntnis?

Ergebnis: Nichts wirklich.

Es war jedoch ein wunderbarer Spaziergang in der Natur und ich habe ihn sehr genossen. Vielleicht war er ja zu kurz?

Selbstversuch Nummer 2

Gestern, also zwei Tage später, ist wieder Regenerationstag angesagt. Somit keine Biketour. Nachdem es morgens noch regnete und die Wettervorhersage Besserung gelobte, entschied ich mich, einen weiteren Selbstversuch in Form einer Wanderung zu machen. Statt wieder das kurze Stück auf dem Arius-Trail zu gehen, wandere ich nun die komplette Arius-Tour.

Wandertourbeschreibung beim Forsthaus Beckenhof

Ohne Handy und somit ohne jegliche Rückversicherung, falls ich mich verlaufe. Die Touren sind doch hier in der Pfalz soooo gut ausgeschrieben, da kann ja nichts passieren. 😉

Ich schaute mir die 11,1-km-Strecke auf der Karte nochmals genau an und hatte eine ungefähre Vorstellung, wo der Weg langgeht. Kartenlesen und markante Punkte merken hatten wir ja in der MTB-Fachübungsleiter-Ausbildung schon gelernt. Mal schauen, was davon noch hängen geblieben war 🙂

Mit Wasser und ein bisschen Proviant ausgestattet, lief ich los. Voller Vorfreude auf mein Mikroabenteuer und die vielen Gedanken, die ich wohl haben würde.

Und für diese Gedanken hatte ich noch ein kleines Notizbüchlein eingepackt, vielleicht will ich ja etwas notieren.

Wandern ohne Handy, dafür mit Notizbuch

Und so war meine Tour

Eine Tour voller Gefühle und Selbstgespräche.

Optimistisch

Ich stehe vor einem Wanderwegweiser, bei dem noch ein weiterer Weg ausgeschildert ist: Felsenwanderweg 11 km bis ….

Meine Gedanken: „Ui, vielleicht laufe ich einfach den, der ist länger, das schaffe ich sicherlich auch!“

Und die Gedanken, die dann folgten: „Nein, bleib mal bei deinem Plan und mach erst mal das. Du brauchst heute kein Höher, Schneller, Weiter.“

Wissbegierig

Auf dem Berg am Felsen Ruppertstein angekommen, sah ich ein großes Schild mit einer Beschreibung des Felsens. Gleich mal lesen. Aha – man könne bequem über eine Treppe hochsteigen, früher habe dort oben eine Burg gestanden, und man habe einen wunderbaren Blick über den Pfälzer Wald.

Natürlich bin ich hochgestiegen, und schon die Treppe selbst war beeindruckend. Der Felskopf war total zugewuchert und eingezäunt (der Felsen ist ca. 12 m hoch). Doch der Blick über den Pfälzer Wald war wunderbar – in der Ferne konnte ich sogar zwei Burgen auf anderen Bergrücken erkennen.

Enttäuscht – verärgert – enttäuscht

Gedanke: Mist – ich kann keine Fotos machen :-/

Zweiter Gedanke: Ich will wissen, was das für Burgen sind. Jetzt kann ich nicht nachschauen und muss mich gedulden.

Dasselbe galt auch für die Vegetation auf dem Felskopf. Ich sah eine ganz kleine Pflanze, etwa 10 cm hoch, mit drei mir unbekannten roten Beeren daran.

Gedanke: Hm, werde wohl nie erfahren, was das ist.

Erzürnt – dann belustigt

Auf dem Felskopf gab es einen Tisch mit Bänken – der ideale Platz, um kurz mein Notizbuch zu zücken und ein paar Gedanken niederzuschreiben.

Gedanke: AUUUUA, was ist das?

Da pinkelte mich doch tatsächlich eine Mikroameise am Unterarm an :-/ Das tat kurz richtig weh.

Nächster Gedanke: Das war jetzt nicht wahr, oder? 🙂

Dankbar

Auf dem wunderbaren Abstieg vom Berghügel (boah, wie gerne wäre ich diesen Trail runtergefahren, seufz) kam plötzlich das wohlige Gefühl der Dankbarkeit in mir hoch. Ich war so dankbar für die Stille und die Menschenleere im Wald. An dieser Stelle war lediglich der Wind zu hören, keine Menschenseele weit und breit, und auch nur ein einziger Vogel war zu hören (Mittagszeit – da haben die eben auch Besseres zu tun, als zu zwitschern).

Und nun zum ersten Mal verlaufen

Es ist also doch passiert. Mir ist noch immer unklar wie ich mich mitten im Ort verlaufen konnte. War ich doch der Straße einfach nur gefolgt und es gab keinen erkennbaren Abzweig.

Verwirrt

Ich lief bis zur nächsten Kreuzung – keine Schilder weit und breit.

Gedanke: Seltsam. Wo bitte kam ich in dieser Straße vom Weg ab? Da ging’s doch nirgends links oder rechts weg?!

Entschlossen

Da ich die Karte grob im Kopf hatte, entschied ich mich, Richtung Wald zu laufen – und dann mal sehen. Immer noch kein Schild. Okay, dann laufe ich da jetzt einfach mal am Fuße des Berges Richtung Norden, und irgendwo wird es schon hinaufgehen. Pustekuchen – ich kam bei der B10 heraus, die ich bereits vom Autofahren kannte. Ich wusste also, wo ich war – jedoch nicht, wo der Wanderweg war.

Stur (Exkurs – „Sunken Costs“):

Kennst du das Konzept der Sunken Costs? Das kennt man vor allem aus Projekten: Auch wenn man bereits erkennt, dass das Projekt wohl nicht das Ziel erreicht und teurer wird, wird es nicht gestoppt. Denn es wurde ja bereits sooo viel Geld investiert. Scheitern ist doch keine Lösung – und so steckt man immer mehr Geld hinein.

So ähnlich ging es mir auf dem Weg. Jetzt war ich doch schon sooo weit gelaufen – irgendwo würde ich meinen Weg schon wieder finden. Bei diesem Gedanken musste ich lachen.

Zuerst kommt der Gedanke und daraus ergibt sich die Emotion.  Es war auf jeden Fall ein kleines Wechselbad der Gefühle, gefühlt im Sekundentakt.

Zuversicht – Ärger – Stolz

Gedanke: Das wird schon, ich habe einen guten Orientierungssinn.
Zweiter Gedanke: Warum war da kein Schild mehr? Kann der Pfälzerwald-Verein das nicht besser? (also schön mal die Schuld auf andere schieben 😉 )
Noch ein Gedanke: Ich bin ja irgendwie doch mutig, einfach weiterzugehen.

Freude

Irgendwann stieß mein Weg tatsächlich wieder auf die Arius-Tour – das Gefühl von Erleichterung und Zufriedenheit machte sich breit.

So sieht ein „rettendes“ Schild aus

Doch diese hielt nicht lange an: Ich landete auf einer T-Kreuzung, und es war kein Schild mehr weit und breit. Der Weg kam mir jedoch bekannt vor. Hier war ich schon einmal – vor drei Jahren auf einer DAV-Biketour, geführt von meinem Bikefreund und Guide Dani. Damit fühlte ich mich wieder sicher und entschied mich, den breiten Waldweg hochzulaufen.

Blau: die eigentliche Arius-Tour; Grün: Ich-Verlauf-Mich-Tour

Erinnerung und Rückblende

Im Nachhinein hatte es auch gepasst: Der Weg kam mir bekannt vor. Da müsste doch … oder doch nicht? Warum laufe ich jetzt schon um den Berg herum? Damals hatten wir den Berg doch rechts von uns und nicht links …

Als ich dann wieder einen Arius-Tour-Wegweiser sah, war ich abermals erleichtert. Rechterhand kam ein Wanderweg hoch – von dort hätte ich eigentlich herkommen müssen.

Irgendwann kam dann auch wirklich der Weg, den ich in Erinnerung hatte: eine krasse, lange Rampe hoch. Damals hatten wir uns sehr nach oben gekämpft – jede*r in seinem Tempo. Doch einer der Teilnehmer kam einfach nicht oben an. Also fuhr ich nochmals hinunter. Er hatte eine Bikepanne, die erst repariert werden musste. Somit hieß es: nochmals hochkämpfen.

Heute nahm ich eine kleine Abkürzung und stieg ein paar Spitzkehren direkt zum Maiblumenfelsen hoch. Nun war ich zwar alleine unterwegs, aber in Gedanken in wunderbarer Gesellschaft von meinen Co-Guides Dani und Bernd (Kiwi).

Heimweg

Der Rest des Weges zurück zum Forsthaus war mir schon bekannt. Ich merkte, wie ich in Gedanken schon diesen Blogpost verfasste – und hielt dann nochmals inne, denn ich wollte ja den Weg genießen. Das war mental nochmals anstrengend und zugleich für die Seele sehr wertvoll.

Das Ende der Arius-Tour (im Nachhinein fotografiert)

Fazit

Selten hatte ich so viel Spaß meine Gedanken und Emotionen zu beobachten und zu bestimmen. Es wird nicht mein letzter Selbstversuch ohne Handy bleiben. Ich habe enorm über mich gelernt. Und diese möchte ich Dir ebenfalls sehr ans Herz legen. Ich wünsche Dir dabei ganz viel Freude und hoffe, Freunde hattest Du auch jetzt schon beim Lesen.

Mein Angebot

Möchtest Du Unterstützung bei der Reflexion von Gedanken und Gefühlen, (diese müssen nicht aus solch einem Selbstversuch kommen), dann melde Dich gerne bei mir für ein Coaching über Kontakt.

Und wenn Du keinen Selbstversuch mehr verpassen willst, dann abboniere sehr gerne meine Kaninchenpost unter Kaninchenpost abonnieren.


Eine Antwort zu „Ohne Handy unterwegs – spontaner Selbstversuch“

  1. Avatar von Kiwi
    Kiwi

    Sehr cool geschrieben und beschrieben. Ich freue mich auf weitere Beiträge

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert